Page 36 - NDV 08/2021
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 AUSDEMDEUTSCHENVEREIN NDV 8/2021 der Regelung und die Wiedereinführung der Möglichkeit der Einkommensschätzung aus. 2. Saldierung von Nachzahlungen und Erstattun- gen, § 50 SGB X Problemdarstellung In Rückforderungsverfahren ist die Saldierung von Monaten mit Nachzahlungen und Erstattungen im Bewilligungszeit- raum nicht möglich. Dies bedeutet, dass auf der einen Seite Leistungsberechtigte zu Unrecht erhaltene Leistungen kom- plett an das Jobcenter zurückzahlen müssen und auf der an- deren Seite das Jobcenter gleichzeitige Ansprüche auf Nach- zahlungen ebenfalls komplett an die Leistungsberechtigten auszahlt. Bei einer Saldierung wäre die Erstattungssumme von Anfang an geringer, der Verwaltungsaufwand minimiert und für die Leistungsberechtigte eine bessere Nachvollzieh- barkeit gegeben. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich in § 50 SGB X für eine Saldierungsvorschrif nach dem Vorbild des § 41a Abs. 6 SGB II aus. 3. Definition „ Arbeitslose“ Ü 58, § 53a Abs. 2 SGB II Problemdarstellung Nach § 53a Abs. 2 SGB II gelten Leistungsberechtigte nicht als arbeitslos, wenn sie nach Vollendung des 58. Lebensjahres für die Dauer von mindestens zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäfigung angeboten wurde. Die Regelung macht eine Berücksichtigung in der Statistik davon abhängig, ob Integrationsfachkräfe An- gebote für sozialversicherungspflichtige Beschäfigung – und damit zur Überwindung der Hilfebedürfigkeit – unterbreitet haben. Die Regelung kann bewirken, dass Erwerbs- integrationen bei Leistungsberechtigten, die das 58. Lebens- jahr vollendet haben, nicht im erforderlichen Maße erfolgen. Dies ist auch aus Gründen der sozialpolitischen Zielsetzung der Grundrente und der dafür zu absolvierenden Be- schäfigungszeiten nicht mehr vertretbar. § 53a Abs. 2 SGB II ist zudem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfebedarfs bedenklich.51 Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, § 53a Abs. 2 SGB II zu streichen oder zumindest die Altersgrenze deutlich anzuheben. 4. Bagatellgrenze für Rückforderungen Problemdarstellung Eine erhebliche Rechtsvereinfachung würde mit der Ein- führung einer generellen Bagatellgrenze für Rückforderungen einhergehen. Bislang führen auch überzahlte Cent-Beträge zu Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Von zentraler Be- deutung ist, dass mit Schafung einer angemessenen Bagatell- grenze bei Überzahlungen von geringer Höhe keine auf- wendigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erstellt werden müssen und damit unverhältnismäßiger Aufwand ver- mieden werden kann. Gleiches gilt für Aufrechnungs- bescheide, Anhörungen der Leistungsberechtigten und die Abgabe an das Inkasso (bei Korrektur für die Zukunf). Die Bagatellgrenze muss, um eine spürbare Vereinfachung zu be- wirken, daher kraf Gesetzes im Rahmen der §§ 45 f. SGB X greifen und die vorgenannten Arbeitsschritte entfallen lassen. Darüber hinaus dürfen mit der Einführung einer Bagatell- grenze keine neuen umfangreichen Prüfschritte einhergehen. Lösungsvorschlag Damit auch bei vorläufigen Entscheidungen eine Entlastungs- wirkung eintritt, sollte die Bagatellgrenze bei nachträglichen Einkommensänderungen ebenfalls gelten. Um diese auch auf eine endgültige Festsetzung anwenden zu können, muss § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II insoweit angepasst werden, als Über- zahlungen bis zum festgelegten Bagatellbetrag nach der An- rechnung nicht zu erstatten sind. Die Bagatellgrenze für Rück- forderungen sollte in einer sachangemessenen Größen- ordnung angesiedelt sein. Eine maximale Vereinfachung wäre die Betrachtung des jeweiligen Rückforderungssachverhalts pro Bedarfsgemeinschaf. In diesem Fall wäre der Bagatell- betrag in einer Größenordnung von 30,– € anzusiedeln. 5. Sprachmittlung Problemdarstellung Für viele in Deutschland lebende Eingewanderte stellen Sprachbarrieren eine Hürde bei der Wahrnehmung ihrer sozia- len Rechte und Pflichten auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar. Betrofen sind nicht nur Menschen mit Fluchtgeschichte, sondern auch weitere Gruppen wie Arbeits- migrant/innen aus EU-Staaten sowie Spätaussiedler/innen – darunter auch Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Eine gesetzliche Grundlage zur Sprachmittlung gibt es im SGB II nicht, ein ausreichendes Angebot fehlt. Dies behindert den notwendigen barrierefreien Zugang zu existenzsichernden Leistungen, zur Sprachförderung und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Fehlende Sprachmittlung kann auch nega- 51 ckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II vom 11. September 2013, NDV 2013, 486 f. 420 


































































































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