Schwerpunktthema

Die Europawahlen sind entscheidend für den Weg zu einem sozialeren Europa

Wenige Tage vor den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 bekräftigt der Deutsche Verein seine Forderungen nach einem sozialen Europa. In seinen europapolitischen Empfehlungen "Europa sozial machen" formuliert der Deutsche Verein konkrete Handlungsempfehlungen an das dann neu gewählte Europäische Parlament und die neu eingesetzte Europäische Kommission, um das soziale Profil der Europäischen Union zu festigen und auszubauen. Dabei wird Handlungsbedarf nicht nur im Bereich der Sozialpolitik, sondern auch in der Klimapolitik und der zukünftigen Strukturförderung gesehen.

Die letzten fünf Jahre sind aus sozialpolitischer Perspektive positiv zu bewerten. Trotz und auch wegen der zahlreichen zu bewältigenden Krisensituationen der letzten Jahre konnte das sozialpolitische Profil der EU geschärft werden. So fand man auf die drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen im Zuge der Corona-Pandemie eine sozialpolitisch ausgewogenere Antwort als auf die Banken- und Schuldenkrise in den Jahren ab 2010.

Durch die Mobilisierung umfangreicher öffentlicher Investitionen durch den europäischen Wiederaufbaufonds und eine Flexibilisierung innerhalb der Strukturfonds konnten soziale Sicherungssysteme aufrechterhalten und gezielt Unterstützung für Menschen in schwierigen Situationen gewährt werden. Erstmals wurden mit dem SURE-Programm finanzielle Mittel zum Erhalt von Arbeitsplätzen und Einkommen mobilisiert, welche, nach Angaben der Europäischen Kommission, 1,5 Millionen Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahren konnten. Das dann neu gewählte Europäische Parlament und die sich neu aufstellende Europäische Kommission sollten auf diesen positiven Erfahrungen aufbauen, die zum Einsatz gebrachten Instrumente weiterentwickeln sowie langfristig verankern.

Daneben gilt es, die in der Europäischen Säule sozialer Rechte verankerten sozialpolitischen Grundsätze weiter konsequent zu verfolgen und mit hoher Verbindlichkeit in die Umsetzung zu bringen. Nachdem 2022 über die Verabschiedung einer Richtlinie Kriterien und Verfahren zur Schaffung angemessener Mindestlöhne auf europäischer Ebene festgelegt werden konnten, gilt es nun, zu ähnlichen Fortschritten im Bereich der Mindestsicherung zu kommen. Ein gesetzlicher Rahmen, der die Zugänglichkeit und die Angemessenheit der Mindestsicherung EU-weit verbessert, kann Menschen wirksam vor Armut und sozialer Ausgrenzung bewahren bzw. sie auf ihrem Weg aus der Armut unterstützen.

Die Herausforderungen die sich aus einer gänzlich anderen geopolitischen Situation für die EU ergeben, werden mit großen Fragestellungen zur Prioritätensetzung und Ressourcennutzung in den nächsten Jahren einhergehen. Dabei wird die Europawahl zu einer Richtungswahl. Entweder wird der Weg hin zur Klimaneutralität und zu sozialen Standards weitergegangen oder die in den letzten Jahren erreichten Erfolge werden wieder rückabgewickelt. Besondere Relevanz hat bereits jetzt die Ressourcenfrage. Zu befürchten ist, dass Kohäsions- und Strukturförderung aufgrund der gestiegenen Sicherheitsinteressen der EU umgestaltet werden.

Doch die wichtigste Frage, die sich mit dieser Wahl entscheidet, ist, inwieweit rechtspopulistische Kräfte weiter an Einfluss in Europa gewinnen und inwieweit die EU resiliente Strukturen aufbauen konnte, um sich gegen ihre Desintegrationspläne zu bewähren!

Die vollständigen europapolitischen Empfehlungen finden Sie unter: https://www.deutscher-verein.de/de/empfehlungenstellungnahmen-2023-europa-sozial-machen-empfehlungen-des-deutschen-vereins-fuer-oeffentliche-und-private-fuersorge-ev-zur-wahl-des-europaeischen-parlaments-2024-5187,3084,1000.html


Zur Autorin
Kathleen Wabrowetz ist Leiterin der Stabsstelle Internationales

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