Fachforum 2.11 Kindesentführung – wie hilfreich sind die vorhandenen Unterstützungsangebote für Eltern und Kinder im Entführungsfall?
Zusammenfassung
Die grenzüberschreitende Entführung eines Kindes durch einen Elternteil ist eine dramatische Situation für die Betroffenen, insbesondere für das betroffene Kind. Eine wichtige Hilfestellung bietet das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ), das als eines der erfolgreichsten Internationalen Übereinkommen bezüglich Kindern gilt. Bei seinem Inkrafttreten waren die Erwartungen an seine Wirkung hoch. Mittlerweile haben sich die Anforderungen an das Übereinkommen verändert, beispielsweise sind nun Mütter die Hauptgruppe von Entführenden und die Gründe für Kindesentführung durch einen Elternteil scheinen sich verändert zu haben.
Moderiert von Dr. Katja Schweppe, Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main setzten sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion Birgitte Beelen (Psychologin, Niederlande), Philippe Lortie (Erster Sekretär des Ständigen Büros der Haager Konferenz), Ursula Rölke (Leiterin des Internationalen Sozialdienstes im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin ) sowie Stefan Schlauß (Abteilungsleitung Internationales Zivilrecht beim Bundesamt für Justiz, Bonn) mit zentralen Fragen im Zusammenhang mit internationalen Kindesentführungen auseinander.
Philippe Lortie erinnerte eingangs, dass nicht nur für den Internationalen Sozialdienst 2020 ein Jubiläumsjahr war, sondern auch die Haager Konferenz ihren 40. Geburtstag 2020 hatte. Stefan Schlauß erläuterte, dass das HKÜ sich als zentrales Übereinkommen im Bereich der Kindesentführung etabliert und mittlerweile über 100 Vertragsstaaten habe. Unterstützt von der Zentralen Behörde im Bundesamt für Justiz in Deutschland wurden und werden insbesondere durch regelmäßige Fortbildungen der Richterschaft und Zuständigkeitskonzentrationen Kompetenzen aufgebaut, die es ermöglichen die Rückführungsverfahren nach dem HKÜ effizient durchzuführen. Auf die nunmehr über 90jährige Beratungserfahrung des Internationalen Sozialdiensts rückblickend hob Ursula Rölke die Bedeutung von aufklärender Beratung im Bereich der Familienkonflikte hervor. Die ständig steigenden Beratungszahlen im Rahmen des von der Bundesregierung übertragenen ZAnK-Mandats (ZAnK = Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation) zeigten den besonderen Bedarf auch bei Privatpersonen, eine am Kindeswohl orientierte Beratung in Familienkonflikten zu erhalten. Im Rahmen der Beratung habe der Verweis auf Instrumente wie das HKÜ oft generalpräventiven Charakter. Birgitte Beleen ging darauf ein, welche Bedeutung mediative Methoden im Rahmen von Rückführungsverfahren haben können. Zentral sei dabei, dass Räume dafür geschaffen werden, die Gefühle der anderen Partei im HKÜ-Verfahren, die oft der andere Elternteil ist, anzuerkennen und damit oft ein erster Baustein dafür gelegt werde, gemeinsame Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Alle Podiumsteilnehmenden verdeutlichten, dass eine enge Kooperation der unterstützenden Akteure und eine spezialisierte Beratung von Privatpersonen essentiell sind, um eine am Kindeswohl orientierte Lösung im Einzelfall zu entwickeln.
Mitwirkende
Moderation
- Dr. Katja Schweppe, Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Vortrag/Diskussion
- Birgitte Beelen, Psychologin und Leiterin der Praxis SYNTAGMA (Niederlande)
- Philippe Lortie, Erster Sekretär des Ständigen Büros der Haager Konferenz (HccH)
- Ursula Rölke, Leiterin des Internationalen Sozialdienstes (ISD), Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin
- Stefan Schlauß, Abteilungsleitung Internationales Zivilrecht beim Bundesamt für Justiz, Bonn