Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu Assistenzleistungen nach dem SGB IX
1. Einleitung
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde das Recht der Eingliederungshilfe umfassend reformiert. Ein zentrales Anliegen des BTHG ist es, die Eingliederungshilfe personenzentriert und sozialraumorientiert im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) neu auszurichten und zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Die notwendige Unterstützung der Menschen mit Behinderungen soll sich nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern unter ganzheitlicher Perspektive ausschließlich am notwendigen individuellen Bedarf orientieren. Der Mensch mit Behinderung steht mit seinen Vorstellungen zu seinen Wünschen und persönlichen Zielen im Zentrum der Leistungsgestaltung und soll mehr Wahlmöglichkeiten erhalten. Ziel ist es, der leistungsberechtigten Person eine individuelle selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen, die nicht nur der Würde des Menschen entspricht, sondern auch die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, vgl. §§ 1,4 und 90 Abs. 1 SGB IX. Insgesamt wurde ein Paradigmenwechsel in der bisherigen Eingliederungshilfe eingeleitet.
Die Assistenzleistungen wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2020 im SGB IX neu strukturiert, teilweise konkretisiert und als eigener Leistungstatbestand im gesetzlichen Leistungskatalog der Sozialen Teilhabe eingeführt. Assistenzleistungen stellen ein zentrales und entscheidendes Element für die personenzentrierte Ausgestaltung der Eingliederungshilfe und im Hinblick auf eine unabhängige und selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Behinderungen dar. Dies spiegelt sich auch in einem neuen Verständnis des Begriffs der "Assistenz" im Kontext des BTHG wider, das sich insbesondere auf die Beziehungsgestaltung zum Leistungsberechtigten auswirkt.
Mit der gesetzlichen Verankerung der Assistenzleistungen im SGB IX und der Differenzierung zwischen verschiedenen Formen ergeben sich in der Praxis verschiedene Abgrenzungs- und Umsetzungsfragen sowie die Notwendigkeit der Vernetzung und Kooperation, z.B. im Rahmen des Teilhabeplanverfahrens.
Die vorliegenden Empfehlungen befassen sich mit der Umsetzung der neuen Regelungen zu den Assistenzleistungen im SGB IX. Ziel der Empfehlungen ist es, Ansätze zu der anspruchsvollen Umsetzung und Abgrenzung der Assistenzleistungen von anderen Leistungen und Leistungsformen aufzuzeigen und Hinweise zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in der Praxis zu geben, um individuelle Leistungen im Sinne des personenzentrierten Ansatzes zu ermöglichen.
Die Empfehlungen richten sich in erster Linie an die Leistungsträger und Leistungserbringer der Eingliederungshilfe. Darüber hinaus richten sich die Empfehlungen an weitere Akteure aus dem Bereich der Eingliederungshilfe, insbesondere Beratungsstellen sowie Akteure des Betreuungswesens und die Leistungsberechtigen.
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