Empfehlungen des Deutschen Vereins zum Housing First-Ansatz in den Wohnungsnotfallhilfen – Konzept und Umsetzungshinweise
Vorbemerkung
Mit den Empfehlungen zu Housing First greift der Deutsche Verein ein Thema auf, dass auch in Deutschland mittlerweile eine wichtigere Rolle als neuer Hilfeansatz in Wohnungsnotfällen spielt. Neben entsprechenden Entwicklungen auf kommunaler und Landesebene gewinnt Housing First dabei auch bundespolitisch zunehmend an Bedeutung. Dies gilt besonders im Hinblick auf den im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungskoalition vereinbarten Nationalen Aktionsplan, der zum Ziel hat, bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden, und hierbei auch den Housing First Ansatz hervorhebt.
Housing First stellt in mehrfacher Hinsicht eine Weiterentwicklung der Angebote der Wohnungsnotfallhilfen mit einer besonderen Fokussierung auf die Zielgruppe leistungsberechtigter obdach- und wohnungsloser Menschen dar, die bisher in besonderem Maße von Wohnraumversorgung ausgeschlossen blieben: Einerseits verortet es die Verfügung über eine eigene mietvertraglich abgesicherte Wohnung am Beginn und nicht – wie bisher in vielen Fällen üblich – am Ende des Hilfeprozesses. Damit zielt das Konzept in besonderem Maße auf eine Normalisierung der Wohnverhältnisse als Grundlage von Hilfen ab. Andererseits weist es der Steuerung des Unterstützungsprozesses durch die Nutzerinnen und Nutzer einen zentralen Stellenwert zu. Housing First knüpft damit an eine auch in anderen Hilfefeldern stattfindende Entwicklung hin zu stärker personenzentrierten Hilfen an. Dies erfordert eine Perspektivenerweiterung in der Haltung sowohl der Leistungserbringer als auch der Leistungsträger.
Das Konzept steht dabei im Gegensatz zu Formen einer schrittweisen Integration wohnungsloser Menschen in Wohnraum, wie sie noch immer in Form sogenannter Stufensysteme anzutreffen sind. Dies stellt besondere Anforderungen an das professionelle Selbstverständnis der Mitarbeitenden in der Wohnungsnotfallhilfe und die Organisation der Hilfeangebote wie auch an die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Hilfen durch die Leistungsträger. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verstetigung der bisher zumeist in Form von Projekten angelegten Housing First-Angebote und der Rolle der Hilfen gemäß §§ 67 ff. SGB XII zur Finanzierung von Housing First als ein weiteres Angebot der Wohnungsnotfallhilfen.
Mit den Empfehlungen will der Deutsche Verein zentrale Aspekte des Housing First-Ansatzes und Erfahrungen aus der bisherigen Praxis darstellen und so zu einer wirkungsvollen Umsetzung des Ansatzes beitragen. Hierzu werden maßgebliche Definitionen und Konzepte von Housing First aufgezeigt und Hinweise zur Umsetzung des Ansatzes zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit gegeben. Ziel der Empfehlungen ist es, eine Übertragung des Housing First-Ansatzes in weitere Kommunen in Ergänzung zu bereits bestehenden Angebotsstrukturen der Hilfen in Wohnungsnotfällen zu fördern und zu unterstützen. Die Empfehlungen richten sich an Kommunen, Verbände und Träger der Freien Wohlfahrtspflege, Anbieter von sozialen Dienstleistungen für wohnungs- und obdachlose Menschen, an Akteure der Wohnungswirtschaft und ihre Verbände sowie zuständige Landes- und Bundesministerien.
dv-1-22_housing-first.pdf [PDF, 380 KB]